Der Weg der Natur oder der finale bäuerliche Kaiserschnitt
- Der Knecht
- 27. Feb. 2019
- 2 Min. Lesezeit
Bereits am Vortag hatte sich die Geburt (Fachjargon: „Ablammen“) angezeigt. Die Aue Askja hatte die Fruchtblase ausgestossen und sich zum gebären im Stall niedergelegt. Weil über einige Zeit nichts weiter geschah, holten wir Hilfe beim Tierarzt. Als dieser dann erschien, war die Aue so eingeschüchtert, dass sie sich auf die Weide davon machte. Alle Bemühungen zum Einfangen verliefen erfolglos.
Heute Morgen hatte sich Askja dann soweit beruhigt, dass der Knecht sie bei der Fütterung dingfest machen und von der Herde separieren konnte. Ein schüchterner Versuch, sich seinerseits ein „handfestes“ Bild der Situation zu machen scheiterte, trotz seiner umfassenden medizinischen Ausbildung (Zugsanitäter mT!). Entweder lag es an seinen kräftig grossen Hände oder an der Unkenntnis weiblicher Anatomie. Wobei er Letzteres als zweifacher Vater vehement ausschliesst.
Im Wissen, dass das ungeborene Lamm inzwischen tot sein musste und es zwischenzeitlich auch für die Mutter äusserst kritisch wurde, bot Knecht erneut den Tierarzt auf und bat zusätzlich auch Martin Knobel, Freund des Hauses, Schaf-Frisör (siehe Blog 12. April 2018), Landwirt und gelernter Metzger, kurz bei uns vorbeizuschauen.
Die Tierärztin erkannte die Dringlichkeit sofort. Weit geübter als der Knecht zuvor griff sie zu und war innert Minuten ellbogentief mit einem, dann mit zwei Armen im Schaf drin und versuchte, den Kadaver heraus zu ziehen. Mit dem Knecht auf der anderen Seite des Schafes, als Gegengewicht an den Hörnern haltend, erinnerte das Ganze mehr an kraftvolles Seilziehen als an eine Geburt. Schliesslich musste auch die Veterinärin auf halbem Weg (und das ist durchaus auch bildlich zu verstehen) aufgeben. Zu viel Zeit war vergangen zwischen der Geburtsbereitschaft des Mutterschafs und dem Rettungsversuch. Das Lamm liess sich auf „natürlichem“ Weg nicht entfernen.
In einer solchen Situation bleibt i.d.R. nur noch die Notschlachtung. Alle dafür notwenigen Spezialisten waren glücklicherweise auf Platz, so konnte Askja schnell von den Qualen befreit werden. Ruhig aber sehr zügig ging Martin ans Werk. Inwieweit es ihm geholfen hatte, dass der assistierende Knecht vor über 40 Jahren sein erstes Geld im Schlachthof von Bern verdient hatte, lässt sich nicht sagen. Insbesondere, weil dieser sich des fürchterlichen Gestankes wegen, welcher vom bereits verwesenden Lammes aus der Gebärmutter drang, zunehmend vom Zentrum des Geschehens entfernte.
Martin meinte, dass das ungeborne Lamm schon über eine Woche tot gewesen sein muss. Unter diesen Umständen war auch die Nutzung des Fleisches der Aue kein Thema mehr. Dieses musste ordentlich entsorgt werden. Ein unangenehmer Tag, aber auch das gehört dazu, wenn man naturnah bauert.
Die Chefin und der Knecht danken allen Involvierten für Ihre Mithilfe! Wir hoffen nun, dass die weiteren sechs Geburten besser Verlaufen und die Weide schon bald wieder von umhertobenden Lämmern bevölkert wird.
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